Sonntag, 24. Februar 2013
#29
Ein Überblick.
Es nimmt Anfang und Ende mit dem Jungen, alles was passiert ist. Die letzten Wochen.
Da war Karneval, er war wieder betrunken. Dann ist er noch schöner als sonst.
Es ist dunkel, und er läuft hinter mir her, die Schlappohren voll von Schnee und die Stimme voll von Lachen. Er drängt sich zwischen mich und den anderen und drückt mir einen Kuss auf die Wange und ich denke, so ist das also. Später dann liegt er kotzend in der Hecke und telefoniert dabei mit Stoffels Cousine. Das tut er schon länger, sagt Stoffel. Ich sitze den Rest des Abends vor der schleudernden Waschmaschine und weine.
Ein und zwei Tage später. Es gibt Dinge, die kann man sich selbst nicht erklären. Dinge, die der Verzweiflung und der Kälte und der Einsamkeit und dem Alkohol geschuldet sind. Dinge, die passieren, wenn er weg ist, weil er weg ist. Plötzlich ist da dieser Eskimo, und weil ich gerade wieder weine und sonst keiner da ist, lasse ich mich in den Arm nehmen von ihm, und als er fragt, ob ich ihn küssen will, sage ich nicht ja aber noch weniger nein. Manche Dinge passieren.
Irgendwann später heult plötzlich der Eskimo, und als ich sage „Ich küss dich nicht mehr!“, da heult er noch schlimmer und lässt sich gar nicht mehr trösten, nicht von mir, nicht von Stoffel und auch nicht von Tony. Die Dämmerung macht alles noch bedrohlicher und ich bin überfordert und müde, nur der Junge ist topfit und ganz schön angeheitert, und sein Hasenkostüm ist weich und warm. Und als ich seufzend in seine Halsbeuge flüstere, dass ich ihn lieb habe, sagt er: „Ich dich doch auch.“
Später ist es wieder dunkel, und wir laufen nach Hause, Simba und Zorro, Big B, die Blötschköppe, der Junge und ich.
Er hält meine Hände, und wenn er das nicht tut, liegt sein Arm um meine Taille, und ich streiche ihm die Ohren aus dem Gesicht.
Ein Tag später. Der Höhepunkt der Feierlichkeiten am Tiefpunkt meiner physisch-psychischen Ausdauer. Eine Straße, gefühlte 20.000 Menschen, drei Stunden Anarchie. Wir stehen in der Menge, sie werfen Flaschen und zünden Bengalos. Stoffels Cousine ist da, aber zum Glück nur kurz, der Junge bedauert das sehr. Dann verschwindet er und ich sehe ihn lange nicht. Erst wieder auf dem Weg nach Hause, und als er mich an der Haustür abliefert und mit hängenden Ohren davon trottet, da weiß ich, dass ich ihn verliere und nichts dagegen tun kann.
Etliche Zeit später sagt er mir, dass er nicht weiß, ob er das wirklich will, Stoffels Cousine und so, dass er gar nichts mehr weiß momentan. Ich sage, dass ich immer für ihn da bin, wenn er reden will und dann renne ich lachend durch die Nacht und denke, dass es vielleicht Gründe hat, warum er so still wird, wenn ich vom Eskimo rede.