#31
Der Frühling kommt noch immer nicht und die letzten Schultage meines Lebens kann ich an einer Hand abzählen.
Alle sind ein wenig gestresst, aber gut gelaunt. Der Alkoholpegel morgens um 10 ist konstant höher als die Motivation das Abitur zu bestehen.
Unsere Stunden sind gezählt.
Die schlimmsten Tage sind jetzt wohl vorbei. Die Tage, in denen mich der Junge nicht einmal mehr angesehen hat. Diese Tage:
Er sitzt in der Eingangshalle der Schule auf dem dreckigen Boden, die Beine angewinkelt, so dass die hochgekrempelte Hose unten hochrutscht und seine weichen Knöchel freigibt. Er sieht mich nicht an.
Er steht in der Eingangshalle, direkt neben mir, aber er schaut nicht hoch. Kein Lächeln mehr für mich. Ewiges, schweigendes Nebensich-Stehen. Irgendwann lacht er, kurz und still, alleine für sich, und das bricht mir das Herz. Dann geht er. Ohne Worte. Er sieht mich nicht an.
Abends liege ich im Bett, und ich hoffe, dass es nie wieder Morgen wird.
Es wird immer Morgen.
Und dann kamen die ersten Tage mit ihm, wieder bei ihm sein, als wär nichts gewesen. Nicht noch einmal drüber reden, obwohl es so viel zu sagen gäbe. Nicht alles noch schlimmer machen.
Abende verbringen mit ihm, neben ihm sitzen und mit ihm lachen ohne ihn anzusehen.
Vergessen, dass ich ihn vergessen wollte.
Wir sind auf Reisen gefahren, mit Simba, Big B und den ganzen anderen Idioten.
Wir alle in einem stinkenden Bus, der Junge neben mir. Ich sehe nur auf seine Hände, weil sie das schönste an ihm sind, jedenfalls manchmal.
Irgendwann schlafe ich ein, nicht auf seiner Schulter, natürlich nicht. Alles was früher ging, geht jetzt nicht mehr.
Als ich aufwache, sagen sie, er hätte auch geschlafen, und sein Kopf sei auf meinen gefallen. Ich glaube ihnen nicht, denn er sitzt kühl und bewegungslos neben mir, schaut in die Dämmerung. Wie ich. Ewiges Land, ewiges Leben. Wie ich.
Das erste Mal wieder betrunken sein mit ihm. Das dunkle Bier schmeckt süß und als wir allein nach Hause gehen schlägt er ein Rad auf der Straße. Ich denke, dass ich wieder mit ihm leben kann. Ich hör nicht auf ihn zu vermissen, aber ich kann lernen ohne ihn mit ihm zu leben. Bei ihm sein, ohne bei ihm zu sein, hoffen, ohne Hoffnung zu haben, lieben, ohne lieben zu dürfen, das alles kann ich lernen.
Vielleicht habe ich es schon gelernt.
Bei Facebook gefallen ihm die Bilder von fremden Mädchen.
du schreibst so schön...
nett, dass du das sagst :)